Mit manchen Entscheidungen quälen wir uns lange herum. Die Dinge sind unübersichtlich, man hat nicht die Zeit, sie zu durchdenken und keine Option scheint gut genug. Zusätzlich erschweren wir uns manche Wahl durch falsche Erwartungen. Wir schieben wichtige Entscheidungen vor uns her in der Hoffnung, uns möge ein Licht aufgehen und sich eine Option eröffnen, die sich garantiert als die richtige erweist, und die uns leichtfällt, weil sie mit keinerlei Kosten verbunden ist. Helfen kann, sich von drei Entscheidungsmythen zu trennen:
1. Gute Entscheidungen sind Garantien auf die glücklichste Fügung
Von guten, besonnenen Entscheidungen erwarten wir implizit, dass sie auch sicher zum Guten führen. Was eine gute Entscheidung ist, ist ein Extrathema, aber sagen wir mal sehr verkürzt, sie ist vorausschauend und wohl informiert. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass sie sich im Nachhinein als unglücklich herausstellt. Für einige Familien im Ahrtal hat sich ihre vielleicht gewissenhafte Grundstückswahl später unerwartet als unglücklich herausgestellt - wer hätte das voraussagen können?! Solange Zeitreisen nicht zur Verfügung stehen, bleibt uns nur übrig, begründete Zukunfts-Szenarien durchzuspielen und in Wahrscheinlichkeiten zu denken. Tun wir uns also den Gefallen, gute Entscheidungen nur an dem zu messen, wovon wir im Moment der Entscheidung mit bestem Wissen und Gewissen ausgehen können.
Kann eine gute Entscheidung also durchaus eine sein, die man vielleicht am nächsten Tag bereits wieder bereut? Ja, und zwar genau dann, wenn die Dinge am nächsten Tag anders liegen, als man gestern noch absehen konnte.
Macht Aufschieben also doch Sinn? Eine Entscheidung zu vertagen, bringt nur dann Vorteile, wenn wir uns davon innerhalb der verfügbaren Zeit tatsächlich wichtige neue Informationen erwarten können.
2. Gute Entscheidungen sind leicht zu treffen
Ob eine Entscheidung leichtfällt, hängt naturgemäß von mehreren Faktoren ab. Zunächst lässt sich unterscheiden zwischen dem Prozess der Entscheidungsvorbereitung und der Entscheidung selbst. Der Vorbereitungsprozess ist so schwierig wie die Komplexität dessen, was es zu berücksichtigen gilt. Am Ende die Entscheidung zu treffen, empfinden wir hingegen dann als schwer, wenn keine der infrage kommenden Optionen gegenüber den anderen deutlich im Vorteil ist. Eine Entscheidung kann akribisch, gewissenhaft und für alle transparent vorbereitet sein und dennoch kann es schwerfallen, sie zu treffen, weil die Kosten in jedem Fall hoch sind.
Wenn sich ein Konzern vor der Wahl sieht, sich entweder abzuwickeln, die Hälfte des Personals zu entlassen und die Gehälter einzufrieren oder ganz im Ausland zu produzieren, dann ist keine der Optionen frei von emotionalen, sozialen, ökologischen und/oder ökonomischen Kosten.
Auch im Privatleben kennen wir solche Dilemmata, also Situationen, in denen keine Option akzeptabel zu sein scheint. Eine gute Entscheidung kann also leider durchaus schmerzlich sein. Schmerzhafte Entscheidungen werden besonders häufig aufgeschoben. Man mag den Preis, worin auch immer er besteht, nicht zahlen oder anderen aufbürden und fürchtet mitunter scharfe Kritik. Wir wünschen uns dann lieber weiter eine Entscheidung, die nur Vorteile mit sich bringt, und laufen Gefahr, dass die Nachteile noch steigen, je länger wir warten. Fazit: Auch eine schwierige und schwere Entscheidung kann eine gute sein, die bestmögliche eben. Sie zu treffen, bedeutet auch, dass alle wissen, woran sie sind, und nach vorn schauen können.
3. Entscheidungen sind immer endgültig
Im Coaching begegne ich Menschen mit Angst vor der Endgültigkeit ihrer Entscheidung. Sie befürchten, einen kapitalen unveränderlichen Fehler zu machen. Sich an einer der "großen Kreuzungen ihres Lebens" (Ausbildung, Jobwahl, Wohnort etc.) sehend, schließen sie von der Wichtigkeit ihrer Entscheidung auf deren Unumkehrbarkeit. Aber trifft das immer zu?
Wenn ich mich an einer Verkehrskreuzung entscheide, rechts herum zu gehen, kann ich nach drei Schritten umkehren und mich für eine andere Richtung entscheiden. So ist es, bei Lichte besehen, auch mit vielen, wenn auch selbstverständlich nicht mit allen Abwägungen im privaten Bereich, also fernab von juristischen oder gar militärischen Entscheidungen.
Die Richtung zu ändern, ist oft nicht ausgeschlossen, sie hat nur meistens einen Preis. Zum Beispiel kostet sie Zeit, wenn man es als Umweg sehen möchte, nicht sofort die Ausbildung gewählt zu haben, die im Nachhinein möglicherweise besser gewesen wäre. Oder Geld, weil ein Semester ohne eigenes Einkommen hinzukommt und später abbezahlt werden muss. Oder Missstimmung, weil man mit seinem Partner/seiner Partnerin den Traum vom Leben auf dem Land realisieren wollte, nach kurzer Zeit aber feststellt, dass es die eigenen Erwartungen nicht erfüllt. Und oft ist das Um-Entscheiden ärgerlich, weil neu geplant und organisiert, der eigene Lebensweg gewissermaßen nachjustiert werden muss. Das muss man nicht mögen. Man kann aber finden, dass auch das zum Leben gehört.
Statt Entscheidungen als unumstößliche richtungsweisende Zäsuren zu sehen, ist es nicht nur rationaler, das konkrete Risiko zu überschlagen, das man tatsächlich eingeht. Auch, wenn das keinen Spaß macht: zu wissen, was einen die Entscheidung, die man fürchtet, voraussichtlich maximal kosten wird, senkt meist die Angst. Und nebenbei wird der Blick auf kreative Lösungswege damit frei: Den Studiengang zu wechseln, kostet ein, maximal zwei Semester. In der Zwischenzeit lässt sich jobben und Leute, vielleicht eine andere Stadt kennenlernen. Die Stadtwohnung gleich ganz aufzugeben, wäre vielleicht tatsächlich ein Fehler, wenn man das Landleben erst testen möchte. Besser sie erstmal untervermieten. Vor dem Kauf des Kaninchens zwei Familien zu finden, die es gern in Ferienzeiten nehmen, kann Urlaubsproblemen vorbeugen.
Um zu wissen, wie man sich in einer Umgebung, Rolle oder Situation sieht und empfindet, muss man manches eben ausprobieren. Dies mit der Entscheidung gleich offen zu kommunizieren, etwa Unsicherheiten klar zu benennen, kann spätere negative Konsequenzen abmildern.
Soweit zu dem, was gute Entscheidungen nicht sind oder leisten können. Das ist ganz sicher kein Playdoyer dafür, künftig zu würfeln. Im Gegenteil, gute Entscheidungen sind oft schwer, manchmal sehr schwer. Zugleich sind sie das Beste, was möglich ist. Und sie zu treffen, kann bedeuten, nach vorn zu sehen, ins Gestalten zu kommen und sich von unrealistischen Optionen zu lösen. Wer eine gute Entscheidung trifft, weiß auch morgen noch, warum. Das kann Sicherheit geben.
Was genau eine gute Entscheidung nun eigentlich auszeichnet? --> coming soon.
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